Schulgeschichte

Kleine Norderneyer Schulgeschichte

In diesem Text, einem Beitrag des ehemaligen Schulleiters G. Kampfer zur ersten Fassung unserer Homepage, wird die Entwicklung der Norderneyer Schulen seit dem Beginn des Schulwesens bis zur Einführung der KGS dargestellt:

18. Jahrhundert bis Mitte 19. Jahrhundert

“Es ist erstaunlich, daß das erste Norderneyer Schulgebäude bereits im Mai 1704 errichtet wurde, denn damals lebten erst rund 250 Menschen auf der Insel. Wahrscheinlich war jedoch der Platz für den Unterricht im Pfarrhaus etwas zu eng geworden, denn damals gehörte es zu den Aufgaben des Pastors, die Kinder in Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen zu unterrichten. Die Insulaner lebten von Fischerei und Schiffahrt und waren nicht alle überzeugt vom guten Zweck des neuen Gebäudes. So rügte kurz darauf Graf Christian Eberhard, daß die Norderneyer “ihre Kinder den Sommer über nicht zur Schule schicken, sondern dieselben lieber müssig gehen, allerhand Muthwillen treiben und also in grober Unwissenheit und ganz unverantwortlicher und unchristlicher Art und Weise aufwachsen lassen.”

Auch der Norderneyer Pastor hatte seine Probleme mit den Insulanern, denn er schrieb 1705 in sein Kirchenbuch:

“Der Vogt Simon Jacob Rass hatte ein listiges Weib, achtete weder des Pastors noch des Vogts. Des Vogts Weib führte das Regiment, namentlich in Strand- und der Gemeinde Sachen. Des Kirchenvorstehers Gerd Harms Weib führte das Kirchenregiment, daher gewirtschaftet in Unordnung und Laster.”

Schon 1735 sah sich der Pastor durch seine pädagogischen Aufgaben überfordert und stellte heimlich, ohne die Kirchenbehörde zu informieren, den ersten Norderneyer Lehrer ein: Daniel Holtzheuder. Als der Superintendent 1737 von dem heimlichen Schulbetrieb erfuhr, bekam der Pastor eine ernste Rüge, und Holtzheuder setzte sich unter Hinterlassung erheblicher Schulden nach Holland ab. Kurz darauf wurde der Insel jedoch eine Lehrerstelle bewilligt. Da schon damals kaum ein Lehrer an einer Stelle auf einer Insel interessiert war, sah man sich gezwungen, 1748 einen älteren Bewerber einzustellen, der 15 Jahre als Musketier in verschiedenen Armeen gedient hatte, stark stotterte, aber lesen und schreiben konnte. Er und seine Nachfolger blieben meist nur kurze Zeit und kamen mit den Insulanern mehr oder oft auch weniger gut aus. 1797 wurde das Nordseebad gegründet und 1822 nahm auch Lehrer Ehwegen an der neuen Entwicklung teil: Er vermietete ein Zimmer mit zwei Wandbetten an Kurgäste.

Mitte 19. Jahrhundert – 20. Jahrhundert

1848 unterrichtete auf der Insel Claas Hohlen, der angesichts von 127 Schülern keinerlei Ferien einhielt und auf eigene Rechnung einen Hilfslehrer einstellte, jedoch bei einer Schulrevision furchtbar scheiterte. So mußte der Pastor auf die Frage nach dem Lernstand der Schuljugend anschließend zugeben: “Nun, ich habe bisher gemeint, ziemlich gut. Das Königl. Consistorium hat aber anders geurteilt, und danach steht es damit ganz entsetzlich schlecht”

Und zu seiner Entschuldigung führte er an: “Die Gemeinde hier interessiert sich bekanntlich nicht für den Unterricht der Jugend. Es mangelt an elterlicher Autorität und an wahrem Interesse für die Bildung der Kinder.”  

Die Schülerzahlen stiegen explosionsartig, mehrere Lehrer mußten her, und 1887 wurde gegen den erbitterten Widerstand der Volksschullehrer eine Mittelschulklasse gebildet. Volksschulleiter Eilts erklärte öffentlich, daß er und seine Kollegen alle Kräfte anstrengen würden, die Mittelschule nicht hochkommen zu lassen. Sie müßten ja keine rechten Volksschullehrer sein, wenn sie das nicht täten. Die Mittelschule sei nur ein “Abfuhrplatz für untaugliche Elemente.” Er hatte zunächt Erfolg, denn 1890 hatte die Mittelschule nur noch sechs Schüler. Die Regierung faßte beide Schulen daraufhin zusammen und stellte sie unter die Leitung des Mittelschulrektors Volkmann aus Brandenburg.

Anfang 20. Jahrhundert bis zur NS-Zeit

Um 1900 gab es bereits 700 Schüler auf Norderney  –  200 mehr als heute. Ein neues, großes “Centralschulgebäude” war errichtet worden  –  aber es waren auch mehrere “Höhere Privatschulen” gegründet worden, die sich alle gegenseitig Schüler abwarben. Ein Ministerialbeamter bezeichnete die Schulsituation auf Norderney als “Krieg an allen Fronten”.

Auf dem Höhepunkt der Norderneyer Schulkrise starb Rektor Volkmann. Sein Nachfolger Jann Berghaus aus Aurich wurde zur überragenden Figur der Norderneyer Schulgeschichte. Er kam 1903, gliederte sämtliche Privatschulen in seine Schule ein, verfaßte nebenbei ein Lesebuch, gründete zusammen mit anderen Norderneyern eine Reederei, wurde 1910 in den Gemeinderat gewählt und 1918 Bürgermeister. Als er 1922 sogar Regierungspräsident wurde, erkannten die Norderneyer seine große Bedeutung und gaben der größten Straße im Ort den Namen “Jann-Berghaus-Straße”. Damit dürfte Norderney wohl die einzige Stadt in Deutschland sein, die ihre Hauptstraße nach einem Pädagogen benannt hat.

berghausJann Berghaus

Die NS-Zeit

1932 wählten viele Norderneyer die NSDAP. Jann Berghaus redete seinen Norderneyern noch einmal ins Gewissen:

“Jede Gemeinde, auch die Gemeinde Norderney, hat einen berechtigten Anspruch auf eine gewisse Zahl dummer Leute. Wenn aber hier bei der Reichspräsidentenwahl ein Drittel aller Stimmen für die NSDAP abgegeben worden ist, dann ist die erlaubte Grenze erheblich überschritten.”

Es war vergeblich. Ein Jahr später durfte Berghaus nichts mehr sagen. Auch Rektor Sander, der seit 1918 Schulleiter war und sich für neue, demokratische Ideen wie die Elternmitbestimmung einsetzte, kämpfte vergeblich gegen das drohende Unheil und mußte 1934 in einem Brief eingestehen: “Schade, schade! Es ist vorbei. Was soll nun weiter werden?” Er starb 1936. Sein Nachfolger, Hans Bandlow aus Pommern vollzog die Trennung der Mittelschule von der Volksschule.

Bei Kriegsausbruch fand sich Bandlow in der Schreibstube eine Kavallerieregiments wieder, und gegen Kriegsende wurden sogar seine Schüler für kriegswichtige Tätigkeiten eingesetzt: Die Mädchen sammelten kiloweise Heilkräuter und die Jungen betätigten sich als Marinehelfer und bei Schanzarbeiten auf dem Festland. Mit Kriegsende schwappte eine Welle von Flüchtlingen auf die Insel, die über keinerlei landwirtschaftliche oder industrielle Ressourcen verfügte. Eine unvorstellbare Not war die Folge. Weil sie keine Schuhe mehr hatten, kamen Lehrer und Schüler im Sommer barfuß zur Schule und blieben im Winter zu Haus. Dann ging es langsam bergauf.

Mitte des 20. Jahrhunderts bis 1979

Während die Volksschule im alten “Zentralschulgebäude” blieb, zog die Mittelschule 1952 um in eine ehemalige Luftwaffenkaserne, dem neuen “Schulzentrum an der Mühle”, und nahm 1966 die neue Bezeichnung “Realschule” an.  Die Jahrgänge 1 bis 4 der Volksschule wurden zur neuen “Grundschule”, die Jahrgänge 7 bis 9 wurden zur “Hauptschule” und zogen gleichfalls um in das Schulzentrum, in dem sich 1973 aus allen Schülern der Jahrgänge 5 und 6 die neue “Orientierungsstufe” bildete.

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Das damalige Kasernengebäude wurde um zwei Neubautrakte erweitert.

Die drei Schulen waren zunächst selbstständig und hatten alle einen eigenen Schulleiter. Dies hatte beträchtliche Nachteile, denn jede Schule hatte eine eigene Meinung über die Pausenzeiten, ihre eigene Gesamtkonferenz und man konnte die Lehrer nicht alle aufteilen. Also wurden die OS, die HS und die RS 1979 zu einer “Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe” (HROS) zusammengefasst. Schulleiter wurde der Realschulrektor Georg Kampfer.